„ich + ich = wir“. Eigentlich ganz einfach. Und selbstverständlich. Aber so einfach und selbstverständlich funktioniert anscheinend nicht mehr viel in unserem Zusammenleben.
Damit ich + ich ein Wir ergibt, mit allen Folgen des Zusammenseins und Zusammengehörens, müssen wir einiges lernen. So früh wie möglich. Darum kümmern sich Profis. In Schwabach kümmert sich darum gerade ein eigenes Seminar für Lehrer.
18 Lehrerinnen und Lehrer der Realschule lassen sich drei Tage lang schulen bei einer Fortbildung unter dem Titel „Lions-Quest“, ausgerichtet vom Schwabacher Lions Club, damit sie ihre Fünft- bis Zehntklässler in „Lebenskompetenzen“ unterrichten können. Ein zertifiziertes, und wie es so schön heißt, „evaluiertes“ Programm.
Was also passiert in den Tagen? Erstes Treffen der knapp 20 Kolleginnen und Kollegen im Haus der Begegnungen: Trainerin Andrea Friedrich, 59 Jahre alt, Realschullehrerin in Rehau und seit ihrer Teilnahme bei Lions-Quest vor 17 Jahren fest überzeugt von dessen Sinn und Nutzen, begrüßt die Frauen und Männer gleich mit einem herzlichen „Du“ und schafft sofort fröhliche Stimmung.
Obwohl schon ein anstrengender Schultag hinter den Paukern liegt und sie hauptsächlich deshalb hier sind, weil ihr Rektor Nikolaus Schöpp dieses Seminar für eine grandiose Sache hält, machen alle mit beim Aufwärmteil, und tatsächlich: Das Eis ist binnen Minuten gebrochen.
Vom Aufstehspiel je nach Sympathie für irgendwas („ich mag … gemeinsam kochen oder „ich mag … Haustiere“) bis zum Gruppenfinden („gruppiert Euch nach Eurer Lieblingseissorte“) reichen die ersten Übungen. „So geht es den Kindern auch, wenn sie zum ersten Mal in die Schule kommen“, macht die empathische Powerfrau Andrea Friedrich ihren Kolleginnen und (einem) Kollegen klar.
Darauf beruht das gesamte Prinzip der drei Seminartage: „Learning by doing“, die Erwachsenen erleben selbst wie eine Klasse oder Gruppe mit, wie es Schulkindern ergeht und wie sie lernen können, wie soziales und kommunikatives Leben funktioniert. Wie sie sich und andere integrieren, aber auch Grenzen setzen können.
Da geht es zum Beispiel um Regeln. Eine ganz simple steht am Anfang: Wenn die Trainerin (oder der aktuelle Sprecher einer Gruppe) die Hand hebt, kehrt sofort Ruhe ein. Die Regeln werden wie ein Vertrag von Erwachsenen und Schülern unterschrieben.
Für Klassengemeinschaften essentiell: Es geht um Gruppen. Alle zu integrieren, nicht nur in einer Gruppe agieren zu können, das ist wichtig, sagt Andrea Friedrich.
Immer geht es auch um Störungen und Konflikte: Selbst wenn ich als Pädagoge eine tolle Schulstunde vorbereitet habe, hört mir derjenige nicht zu, dem grad die Saftflasche in der Schultasche ausgelaufen ist. Wie formuliere ich „überlegte Ich-Botschaften“? Was ist Zeitmanagement? Was bewirkt ein „Energizer“?
Unter Überschriften wie zum Beispiel „Der dreibeinige Hocker“ erarbeiten die Pädagogen dann eine Stunde, die Fähigkeiten, Anerkennung und Verantwortung thematisiert. Und diskutieren dann ausführlich, welche Teile dieser Schulstunde gut und welche für Fünftklässler zu schwierig oder nicht nachvollziehbar sind.
Unter dem Motto „Alles im Eimer?“ steht eine Stunde, bei der vom frühen Aufstehen eines Schülers über seinen ganzen Tag alle Situationen mit „grün“ oder „rot“ gewertet werden – dann ist nicht alles nur gut oder schlecht, gibt Friedrich zu bedenken, „sondern vielleicht auch eine Chance“.
Dass das Seminar zustande gekommen ist, liege maßgeblich am umtriebigen Engagement des Schwabacher Lions Clubs, freut sich Realschulrektor Schöpp. Die Organisation habe immer wieder dafür geworben und auch Sponsoren gefunden (zum Beispiel die Hermann-Guthmann-Stiftung, die KKH-Krankenkasse sowie den Lions-Bezirk, das Haus der Begegnungen stellt die Räume gratis zur Verfügung), um die Fortbildung unter dem Titel „Erwachsen werden“ samt dickem Ordner als Unterrichtsmaterial für die Lehrer kostenfrei anbieten zu können.
Aber auch die Organisatoren vom Lions Club, Dr. Martin Heubeck und Robert Scherbel, bedanken sich bei Schöpp. Er war sofort an Bord, als das Seminar bei einer Schulleiter-Konferenz vom Schul- und Sportamt der Stadt vorgestellt wurde. Und er will nochmal zwei Kollegengruppen zu zwei weiteren Seminaren (im nächsten und übernächsten Jahr) schicken.
„Wie schaffen Sie es“, erkundigt sich da Trainerin Andrea Friedrich voller Bewunderung, „dass fast 20 Kollegen auf Fortbildung sein können, ohne dass die Schule zusammenbricht?“ Tja, da kann Schöpp stolz auf sein Kollegium sein: „Den Schultag fangen andere Kollegen auf, die eigentlich frei haben.“
Was ist Lions-Quest? Das Lebenskompetenzprogramm „Erwachsen werden“ für Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 15 Jahren ist eine Lehrerfortbildung für bis zu 28 Personen. In knapp drei Tagen werden Unterrichtseinheiten erarbeitet, mit denen Lehrerinnen und Lehrer eine gelingende Gruppenarbeit initiieren und begleiten können. Junge Menschen erfahren, wie sie bewusster mit eigenen und den Gefühlen anderer umgehen können. Sie lernen, sich verantwortungsvoll zu verhalten und engagieren sich bewusster für die (Klassen-)Gemeinschaft. Quelle: Lions-Quest